Immenstadt. Ein „heißer Sommer“ ging für Johannes Weinberg in den letzten Tagen zu Ende. Der 17-jährige blinde Schwimmer startete bei der Para-Schwimm-WM in London, wo er eine insgesamt äußerst erfolgreiche Woche erlebte. Sowohl sportlich als auch emotional durchlebte Johannes alle Facetten des Spitzensports.
Der Weltmeisterschaft voraus ging eine intensive Vorbereitungsphase. Schon die gesamte Saison, die bereits im September 2018 begann, war das Ziel die WM. Als das Etappenziel „Qualifikation“ im Februar 2019 geschafft war, ging es geradeaus weiter in Richtung WM; immer im Training mit seinen Team-Kameraden vom TV 1860 Immenstadt.
Nach den Pfingstferien baute Johannes dann auch noch erfolgreich seinen Realschulabschluss. Ende Juli flog er zu einem zweiwöchigen Trainingslager mit der Behinderten-Nationalmannschaft nach Lanzarote. Wieder zu Hause hieß es, die Sommerferien zum Trainieren nutzen – meist gleich frühmorgens im Wonnemar. Eine weitere Einheit stand am Nachmittag auf dem Programm. Das tägliche Athletik-Training bestritt Johannes allein. Auch im Immenstädter Freibad zog er seine Bahnen und zusammen mit seinen Trainingspartnern Marcus und Simon Joas absolvierte er auch die eine und andere Trainingseinheit bei A-Trainer Stephan Greger in Kaufbeuren. Auch seine Heimtrainerinnen Christine Zähringer und Birgit Joas waren die ganze Saison über bestrebt, Johannes eine möglichst gute Vorbereitung zu ermöglichen. So stand Zähringer im ständigen Kontakt mit der Bundestrainerin; musste Daten, Zeiten, Ergebnisse liefern. Birgit Joas versuchte hauptsächlich in der Praxis das Training so zu organisieren, dass alle Beteiligten „etwas davon hatten“. Auch vor Ort machte sich Bundestrainerin Schinkitz zu Jahresanfang ein Bild über die sehr eingeschränkte, familiäre und doch irgendwie erfolgreiche Trainingssituation in Immenstadt.
Das Training in der Heimat wurde Ende August von einem weiteren Trainingslager auf Lanzarote mit der Nationalmannschaft abgelöst, bevor es von dort aus direkt nach London zur Weltmeisterschaft ging. Hier hieß es „akklimatisieren, Trainingseinheiten im Wettkampfbecken absolvieren, Wassergefühl entwickeln, spezielle Besonderheiten des Beckens und der Schwimmhalle insgesamt kennenlernen“ – und dabei nie das Ziel aus den Augen verlieren!
Zum Auftakt am ersten Wettkampftag startete Weinberg über 100m Rücken. Obwohl er mit dieser Disziplin zu diesem Zeitpunkt „auf Kriegsfuss“ stand, gelang ihm in 1:19,60 eine phänomenale persönliche Bestleistung und ein 12. Platz. Nach diesem vielversprechenden ersten Einsatz stand am zweiten Tag das Rennen über 100m Brust an. Hier hatte der Oberallgäuer – zumindest auf dem Papier – die größten Chancen. Zielvorgabe war das Erreichen des Finals; die Voraussetzung, weiterhin im Perspektivkader bleiben zu können und Sportförderung zu bekommen. Scheinbar konnte Johannes mit diesem Druck gut umgehen – er schien ihn sogar zu beflügeln! Im Vorlauf zeigte er das bisher beste Rennen seines Lebens: In 1:19,80 unterbot er seine eigene persönliche Bestzeit um 5 Sekunden. Damit holte er sich auch souverän den deutschen Rekord über diese Strecke, den zuvor Stefan Engelhardt im Jahr 2010 in 1:20,96 bei der EM in Eindhoven aufgestellt hatte. Das Beste war jedoch: Johannes zog als Sechster in das Finale ein! Damit fiel ein großer Fels von ihm ab. Im Endlauf selbst wollte es dann leider nicht mehr ganz so gut klappen. Nichts desto Trotz wurde Johannes WM-Achter und hat die Zielvorgabe „Finale“ erreicht.
Recht schnell, nämlich über Nacht, musste Weinberg diesen Tag mit seinen Höhen und Tiefen verdauen. Denn bereits am nächsten Tag stand mit der 200 m -Lagen – Strecke wieder ein Wettkampf auf dem Programm. Auch hier wuchs er über sich hinaus: Bereits die erste Lage, die 50 m Schmetterling, bedeuteten persönliche Bestzeit. Seine Endzeit von 2:50,28 lag wiederum 4 Sekunden unter seiner vorigen Bestleistung. Johannes belegte hier Platz 14.
Danach hatte Weinberg zwei Tage Pause und irgendwie ging dabei wohl die so lange aufrecht gehaltene Spannung verloren. Sein Einsatz über 400 m Freistil am letzten Wettkampftag fiel ihm sehr schwer und die erzielte Zeit war auch eher enttäuschend.
Doch nun ist der 17-jährige wieder zu Hause bei seiner Familie, die in London live dabei war. Johannes besucht mittlerweile die Fachoberschule in Sonthofen und trainiert wieder im Kreis der TVI-Schwimmer, die an den Bildschirmen im Livestream bei der WM „ihres“ Johannes mitgefiebert hatten.
Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf – und das nächste Ziel ist die EM in Funchal im nächsten Jahr. – Sie haben also wieder viel vor, Johannes Weinberg, seine Mannschaftskameraden, seine Trainerinnen und seine Familie. (jo.)
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